Heimweh nach der ferne

tibet 2005

Reisebericht Tibet und China

18.6. bis 9.7.2005

 

Gruezi – Tashi Delek*

 

Das letzte grosse Ziel unserer langen Reise ist Tibet. Wir stellen fest, dass sich die Einreisebestimmungen der chinesischen Zollbehoerden fuer Touristen geaendert haben. Unser bereits in Bangladesch besorgtes Einzelvisa fuer China stellt sich als nutzlos heraus. Ein Grenzuebertritt ist zur Zeit nur mit einem Gruppenvisum im Rahmen einer gefuehrten Tour moeglich. Wir nehmen die rund 1000 Kilometer von Kathmandu nach Lhasa in einem klapprigen und baufaelligen Jeep, Baujahr 1985, in Angriff. Es wird fuer uns eine der anstrengendsten Ueberlandreisen werden. Der die beiden Hauptstaedte verbindende „Friendship Highway“ ist nur auf wenigen Abschnitten asphaltiert. Die unzaehligen Baustellen und der schlechte Zustand der Strasse verhindern ein zuegigies Vorankommen. Am zweiten Tag benoetigen wir fuer die 300 Kilometer lange Etappe ueber zehn Stunden. Durch die nicht dicht abschliessenden Tueren und Fenster dringt der Strassenstaub ins Innere des Jeeps. Als wir aussteigen, sind wir mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Wir klopfen hustend den Staub aus unseren Kleidern und von unseren Rucksaecken. Fuer all diese Unannehmlichkeiten werden wir mit spektakulaeren Landschaften des tibetischen Hochlands entschaedigt. Mehrmals ueberqueren wir ueber 5000 Meter hohe Paesse. Die Sicht auf die gewaltigen Berggipfel des Himalayas ist einmal mehr eindruecklich. In Shigatse besichtigen wir die grosse Anlage des Tashilumpo Klosters. Der dort residierende Panchen Lama ist der zweithoechste Geistliche hinter dem im indischen Exil weilenden Dalai Lama. Wir schliessen uns dem Strom der Pilger an und umrunden das Kloster auf der Kora, dem an unzaehligen Gebetsmuehlen entlangfuehrenden Pilgerweg. Tashilumpo beeindruckt durch seine Groesse und den engen verwinkelten Gassen zwischen den Kapellen, Grabstaetten und Unterkuenften der Moenche.

 

Ein weiteres sehenswertes Kloster befindet sich in Gyantse. Vom Dach des Pelkor Choede Monastery bietet sich eine Rundsicht auf die Stadt und die zerstoerte Burganlage, den Dzong.

 

Auf der Weiterfahrt ueberqueren wir die 5045 Meter hohe Passhoehe des Karo La und erreichen schliesslich den Yandrok-Tsa, einen fuer die Tibeter heiligen See. Von dort steigt es ein letztes Mal an ueber den Kamba-La (4794 Meter). Bis nach Lhasa ist es dann nicht mehr weit. Am Abend des vierten Reisetags erreichen wir die tibetische Hauptstadt. Auf der Fahrt ins Hotel fahren wir am Potala Palast vorbei und koennen das erste Mal einen Blick auf dieses impossante, geschichtstraechtige Gebaeude werfen. Die spaetere Besichtigung des Palastes faellt dann aber fuer uns enttaeuschend aus. Die ehemalige Residenz des Dalai Lamas praesentiert sich als verlassener, schlafender Ort ohne Lebensaktivitaet. Selbst das Bildnis des aktuellen, vierzehnten Dalai Lama’s wurde von den Chinesen aus den Gemaechern verbannt. Wenn man die Geschehnisse seit der chinesischen Machtuebernahme im Jahre 1949 betrachtet, haftet dem grossen Besucherstrom von chinesischen Touristen eine gewisse Ironie an. Hat man vor einigen Jahren noch versucht, die tibetische Kultur und den buddhistischen Glauben zu vernichten, so schlaegt die chinesische Besatzungsmacht heute grossen Profit daraus.

 

Die Dominanz der Han-Chinesen zeigt sich auch am veraenderten Stadtbild Lhasa’s. Breite, mehrspurige Prachtstrassen, und die fuer chinesische Grossstaedte typischen Beton- und Kachelbauten haben die tibetischen Quartiere fast vollstaendig verdraengt. Riesige Baustellen dominieren das Stadtbild.

 

Beeindruckt waren wir vom Jokhang-Tempel, wo sich die tibetische Kultur noch am urspruenglichsten zeigt. Die Pilger ziehen in langen Kolonnen an den verschiedenen Kapellen mit Buddha-Statuen vorbei, wo sie ihre Opfergaben hinterlegen. Das Gemurmel der Gebete und der Duft von Raeucherstaebchen geben dem ganzen eine religioese, andächtige Stimmung.

 

Die Tibeter lassen jene Lebensfreude, die wir sonst in Asien so haeufig angetroffen haben, vermissen. Stattdessen werden ihre meist traurigen, nachdenklichen Gesichter mit den ausdruckslosen Augen und die allgegenwaertigen bettelnden Gesten noch laengere Zeit in unseren Erinnerungen haften bleiben.

 

Bevor wir Tibet verlassen, fahren wir mit einem Jeep zum Namtso-See auf 4718 Meter ueber Meer. Der 70 Kilometer lange und 30 Kilometer breite Salzwasser-See liegt am Fusse der ueber 7000 Meter hohen Berggipfel der Nyenchen Tanglha-Gebirgskette. Diese Berge haben Heinrich Harrer und Peter Aufschneiter, beruehmt durch das Buch „Sieben Jahre in Tibet“, auf ihrer Flucht nach Lhasa ueberquert. Wir erklimmen einen Huegel und lassen die unendlich scheinende Weite des Hochlandes auf uns einwirken. In den gruenen Wiesen sehen wir grosse schwarze Punkte. Es sind die Zelte der Lhangtang-Nomaden.  

 

Auf der Rueckfahrt nach Lhasa machen wir einen Abstecher ins Rong-Chu-Tal zum Kloster von Reting. Dieses Kloster liegt idyllisch in einem grossen Foehrenwald. Die einst impossante Klosteranlage wurde von den Chinesen fast vollstaendig zerstoert. Heute sind ein paar wenige Moenche damit beschaeftigt, den Haupttempel zu renovieren. Die Renovationskosten traegt auch dieses Kloster alleine, da die chinesische Regierung keine finanzielle Hilfte leistet. Spontan helfen wir mit, einen schweren zehn Meter langen Holzbalken bergabwaerts zum Klostereingang zu ziehen. Die Moenche  bedanken sich freundlich fuer unseren Einsatz.

 

Wir verlassen Lhasa mit einem Bus mit Liegeplaetzen in Richtung Golmud. Fuer die 1150 Kilometer lange Reise auf dem Qinghai-Tibet-Highway brauchen wir 23 Stunden. Nach den Erfahrungen mit unseren Fahrten im Jeep ist dieser Abschnitt sehr angenehm. Als wir am Morgen in Golmud ankommen, haben wir keine Probleme, Zugsbillette fuer den Abendzug nach Chengdu zu erstehen. Wir goennen uns Tickets in einem Vier-Bett-Abteil der 1. Klasse. Zum Nachtessen geniessen wir, wie die meisten chinesischen Mitreisenden, eine Instant-Nudelsuppe im Pappbecher. Am uebernaechsten Morgen erreichen wir nach einer ueber vierzigstuendigen Fahrt die Millionenstadt Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sechhuan.

 

In der Panda-Zucht- und Pflegestation von Chengdu leben etwa 20 der vom Aussterben bedrohten Baeren. Die Tiere leben hier in grossen, naturgetreuen Gehegen, wie man sie sonst in asiatischen Zoos nicht antrifft. Die Zuchtstation ist aeusserst erfolgreich: Bei unserem Besuch konnten wir viele kuschelige Jungtiere beim uebermuetigen Spielen beobachten. Das Pflegeteam betreut hier auch eine stattliche Kolonnie von Red Pandas. Diese kleineren, einem Fuchs aehnlichen Tiere, haben ihren Lebensraum in der ganzen oestlichen Himalayaregion.

 

Unweit von Chengdu liegt Leshan, beruehmt fuer seinen 71 Meter hochen Sandstein-Buddha. Die Figur soll die groesste Buddha-Statue der Welt sein. Der in einen Felsen gehauene Buddha am Mint He-Fluss zieht riesige Stroeme von chinesischen Touristen an.

 

Eine letzte Zugfahrt bringt uns nach Guangzhou, wo wir das Boot nach Hongkong besteigen. Wir kehren an jenen Ort zurueck, wo wir vor eineinhalb Jahren zu unserer langen Tour aufgebrochen sind. Unsere Traumreise liegt hinter uns, wir freuen uns auf die Rueckkehr in die Schweiz.

 

*so begruesst man sich in Tibet