Heimweh nach der ferne

Bangladesch 2005

Reisebericht Bangladesch

25.02.2005 - 19.03.2005

 

Gruezi - Asalam Walekum*

 

Mit einem Ticket zum indischen Grenzort Chengrabandha besteigen wir in Siliguri den Bus. Nach zwei Stunden hält der Bus an einer Wegkreuzung. Der Busgehilfe deutet uns mit Handzeichen an, auszusteigen. Auf die Frage, ob wir in Chengrabandha seien, weist er mit einer Handbewegung in Richtung der abzweigenden Strasse. Mit lautem Motorengetöse fährt der Bus weg und lässt uns in einer Staubwolke am Strassenrand zurück. Was nun? Wir machen uns mit unseren Rucksäcken zu Fuss auf den Weg. Schon bald sind mehrere Fahrradrikshaw-Fahrer bei uns und wollen uns zum einsteigen überreden. Sie meinen, es sei zu weit bis zur Grenze. Da weit und breit nichts auf ein Dorf hinweist, steigen wir auf die Ladefläche eines Fahrradtaxis. Nach 20 Minuten erreichen wir die Bambushütten der Zollstation. Nun gilt es, die Hürden der indischen Bürokratie zu überwinden. In drei verschiedenen Büros müssen wir unsere Pässe vorzeigen, bevor nach dem Öffnen und Durchwühlen unseres Gepäcks schliesslich der letzte Stempel in unsere Ausweise gedrückt wird. Zu Fuss gehen wir nun zur Zollbehörde von Bangladesch. Hier geht es erneut von einem Büro- zum nächsten. Der Einreisebeamte nimmt ein neues Buch hervor, denn wir sind doch tatsächlich die ersten Touristen, mit Ausnahme von Indern, die in diesem Jahr diesen Grenzübertritt benutzen. Mit westlichen Pässen scheint er wenig Erfahrung zu haben. Er schlägt willkürlich eine Seite in unserem Pass auf und aufgrund des dortigen indonesischen Visums meint er, wir seien indonesische Staatsbürger. Nach knapp zwei Stunden sind dann alle Formalitäten erledigt und wir sind endlich in Bangladesch.

 

Wenn wir Leuten erzählt haben, dass wir dieses von Touristen wenig besuchte Land bereisen wollen, löste dies oft fragende Blicke und Unverständnis aus. Und selbst die Bewohner von Bangladesch sind überrascht, wenn wir ihnen erzählen, dass wir Touristen sind. Sie können schwer nachvollziehen, dass man ein Land, das allenfalls wegen den jährlichen Flutkatastrophen und Fährunfällen in den Schlagzeilen steht, besuchen kommt. Die Tatsache, dass Bangladesch eben keine wichtige Touristendestination ist, ist für uns gerade die Herausforderung, in dieses Land zu reisen. Die Grenzformalitäten haben wir zwar hinter uns, sind aber noch rund 100 Kilometer von unserem Tagesziel Rangpur entfernt. Die nächste Teilstrecke legen wir erneut im Fahrradtaxi zurück. In Patgram wechseln wir auf den Bus nach Rangpur. Nach dem anstrengenden Tag gibt uns am Abend in Rangpur die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit weitere Probleme auf: Sämtliche Hotels scheinen ausgebucht zu sein. Nach einem längeren Fussmarsch durch die nächtliche Stadt klappt es doch noch. Wir werden in den nächsten Wochen noch oft ausgebuchte Hotels antreffen, doch nicht immer sind tatsächlich alle Zimmer besetzt, vielmals will man ganz einfach keine ausländischen Gäste. Die jüngste Geschichte des Landes beginnt 1971, als aus dem damaligen Ostpakistan das unabhängige Bangladesch wurde. Der Freiheitskampf war hart und blutig, die Wirtschaft des Landes war ruiniert.

 

Zum Erholen blieb dem jungen Staat keine Zeit. Die Hungersnot von 1973 und 1974 forderte unzählige Opfer. Es folgten weitere politisch turbulente Perioden, die bis heute anhalten und das Land daran hindern, jenes wirtschaftliche Wachstum zu erreichen, um die Armut bekämpfen zu können und den Anschluss an andere asiatische Volkswirtschaften zu erreichen. Korruption, Elend und Armut sind hier allgegenwärtig. 83 Prozent der Bevölkerung muss mit weniger als zwei US-Dollars pro Tag auskommen. Bangladesch ist nach Einwohnern das acht grösste Land der Erde (140 Millionen), im Verhältnis zu seiner Grösse weist es die grösste Bevölkerungsdichte auf. 83 Prozent sind Muslims, der Rest verteilt sich auf Hindus (sechzehn Prozent), Christen und Buddhisten.

 

Was uns hier sofort in die Augen springt, ist das fast vollständige Fehlen von Frauen in den Strassen und Märkten. Alle Ladenbesitzer, Marktverkäufer, Hotel- und Restaurantangestellte sind Männer. Auch die Käufer, die Teetrinker, die Restaurantbesucher und alle die herumstehen und -sitzen sind Männer. Erst nach Sonnenuntergang sind vereinzelte Frauen in der Öffentlichkeit anzutreffen. In den nächsten Tagen reisen wir mit dem Bus südwärts. In Rajshani, nahe der indischen Grenze, verfolgen wir mit tausenden von Bangladeschi einen prächtigen Sonnenuntergang am Ufer des Padma Flusses. Khulna ist Ausgangspunkt für Exkursionen in die Sandarbans, eines der weltweit grössten Mangrovenwaldgebiete. Wir besteigen dort den Schaufelraddampfer nach Barisal. Die rund fünfzehnstündige Fahrt fuehrt durch das riesige Mündungsgebiet des Madhumati Flusses. Wir passieren nur wenige Ortschaften. Diese liegen wegen der jährlichen Überflutungen nach dem Monsunregen ausser Sichtweite der Schiffspassagiere. Während der Fahrt können wir ab und zu Flussdelphine beobachten. Da wir lediglich Tickets für die einfache Deckklasse gebucht haben, sitzen wir inmitten der Einheimischen am Boden. An ein ruhiges Geniessen der Fahrt ist nicht zu denken. Wir sind ständig von neugierigen Bangladeschi umringt, die von uns allerlei wissen wollen. Meist beschränkt sich ihr Englischwortschatz auf die Frage: "What is the name of your country?" Wenn wir ihnen dann antworten, dass wir aus der Schweiz kommen, sind sie schon zufrieden. Wer in Bangladesch herumreist, muss sich diesem "Ausgefragt werden" stellen. Und noch etwas anderem: Dem permanenten Angestarrt werden, sei es auf dem Schiff, auf der Strasse, beim Warten auf den Bus oder Zug oder während dem Essen im Restaurant. Für etwas Privatsphäre bleibt uns nur das Hotelzimmer.

 

Das Herumreisen für uns wird zusätzlich erschwert, weil sämtliche Schilder, Orts- und andere Hinweistafeln meist nur in der Landessprache Bangla geschrieben sind. Zum Glück sind die Bangladeschi sehr hilfsbereit, zuvorkommend und ehrlich. Dies lässt uns alle Widrigkeiten vergessen und diese Gastfreundschaft wird uns in nachhaltiger Erinnerung bleiben. Unser nächstes Ziel ist Kuakata am Golf von Bengalen. Wir haben einen verschlafenen Ort erwartet, aber an einem Freitag, dem Feiertag für die islamischen Bangladeschi, wimmelt es hier von Strandurlaubern. Am kilometerlangen Sandstrand sehen wir im Westen die Sonne im Meer versinken und am nächsten Morgen im Osten wieder aufgehen. Auf der Busfahrt nach Dhaka, der Hauptstadt des Landes, überqueren wir mehrmals mit Fähren grössere und kleinere Flüsse. Wer hier mit dem Bus unterwegs ist, braucht gute Nerven. Eigentlich herrscht die Regel des Linksfahrens, aber diese ist nur beim Kreuzen von Fahrzeugen von Bedeutung. Denn meist fährt der Bus mit lautem Gehupe in haarsträubendem Tempo in der Strassenmitte oder gar auf der Gegenfahrbahn. Entgegenkommende Velofahrer retten sich oft mit dem Ausweichen in den Strassengraben vor dem heranbrausenden Bus.

 

Die Küche von Bangladesch kann nicht mit der enormen Vielfalt der kulinarischen Genüsse Indiens mithalten. Das Angebot besteht meist aus Linseneintopf (Dhal), Gemüse, Reis, Fladenbrot, ab und zu noch aus Huhn und Fisch. Das Kaffeetrinken haben wir uns ja schon in Indien abgewöhnt, wir tun es den Einheimischen gleich und trinken Tee, der an unzähligen Verkaufsständen an der Strasse gebraut wird.

 

In Dhaka, der zwölf Millionen Einwohner zählenden Metropole, beschränken wir uns auf den Besuch des sehr lebhaften Stadtteils von Alt-Dhaka. Am Ufer des Buriganga Flusses liegt die Fähranlegestelle Sadarghat. Es ist zwar sehr interessant dem lebhaften Treiben der ankommenden und wegfahrenden Booten zu zuschauen, aber wir bleiben nicht lange hier. Der Gestank des beinahe schwarzen Flusswassers und der am Ufer liegenden Abfallhalden ist einfach zu grässlich.

 

Die Küstenstadt Chittagong erreichen wir mit dem Zug. Wir geniessen die Fahrt im bequemen Erstklassabteil, wo wir uns wie in einer Oase der Ruhe vorkommen. Bereits in Dhaka haben wir beim zuständigen Polizeikommandanten um die Erlaubnis zum Besuch der Bergregion der Chittagong Hill Tracts nachgesucht. Während der Busfahrt nach Rangamati wird an zwei Kontrollposten kontrolliert, ob uns die Besuchserlaubnis erteilt wurde. Die Polizei in Rangamati gestattet uns das Verlassen des Ortes nur in Begleitung einer Polizeieskorte. Den Grund für diese Massnahmen kann uns niemand erklären. Aber es soll in dieser von vielen traditionellen Bergvölkern bewohnten Gegend schon zu gelegentlichen Zwischenfällen mit bewaffneten Rebellen gekommen sein. Frühmorgens besteigen wir ohne Polizeibegleitung ein Fährboot, das uns über den Kaptai See nach Belaichhari, unweit der Grenze zum indischen Bundesstaat Mizoram bringt. Die Bewohner dieses Ortes gehören zur Volksgruppe der Chagma, der grössten hier lebenden Minoritäten. Uns bleibt Zeit, durch die Strassen zu schlendern, bevor wir wieder das Boot zurück nach Rangamati besteigen.

 

Unsere letzte Destination in Bangladesch ist Srimangal, in der Provinz Sylhet. Diese Region im Nordosten des Landes gilt als Hauptanbaugebiet von Tee in Bangladesch. Jährlich werden hier auf 40'000 Hektaren über 30 Millionen Tonnen Tee gepflückt. Aber auch Ananas- und Zitronenplantagen prägen das Bild. Wir spazieren stundenlang durch die grünen Teeplantagen und passieren dabei kleine Dörfer, die idyllisch in die Landschaft eingebetet sind. Hier ist es möglich, ein paar ruhige Tage zu verbringen, in denen wir uns vom doch sehr anstrengenden Herumreisen in diesem Land erholen können. Über Dhaka und Rangpur fahren wir nach Norden, wo wir das Land bei der Grenzstation von Burimari verlassen. Bangladesch liegt hinter uns, wir freuen uns auf neue Reiseerlebnisse in Bhutan.

 

* so begrüsst man sich in Bangladesch